Chuseok damals und heute – ein Fest im Wandel der Zeit
- Karina
- 16. Sept. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Oft kennen wir sehr traditionelle Beschreibungen von Chuseok, doch auch dieser Feiertag ändert sich und passt sich den modernen Zeiten an. Fragt sich jedoch wie?

Chuseok ist eines der bedeutendsten traditionellen Feste in Korea. Jedes Jahr im Herbst, wenn der Vollmond den Himmel erleuchtet, kommen Familien zusammen, um ihre Ahnen zu ehren, gemeinsam zu essen und für die reichhaltige Ernte zu danken. Das koreanische Erntedankfest steht für Dankbarkeit, den Zusammenhalt und die Besinnung auf die Wurzeln. Traditionell stand Chuseok im Zeichen von Ritualen, aufwendigen Festessen und alten Bräuchen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Doch wie vieles im modernen Leben hat sich auch die Art und Weise, wie dieses Fest gefeiert wird, im Laufe der Zeit gewandelt. Heutzutage vermischen sich alte Traditionen mit neuen Trends, und immer mehr Menschen gestalten das Fest nach ihren individuellen Bedürfnissen und Lebensweisen.
Chuseok in der Vergangenheit: traditionelle Bräuche und Rituale
Traditionell treffen sich koreanische Familien an Chuseok beim ältesten männlichen Familienmitglied väterlicherseits – sei es der Großvater, Vater oder Onkel. Unabhängig davon, wo die Familienmitglieder in Korea leben, machen sie sich auf den Weg, um die Feierlichkeiten gemeinsam zu verbringen. Gerade mal vor etwa 30 Jahren, als der KTX-Zug noch nicht existierte und die Autobahnen in Korea weniger gut ausgebaut waren, bedeutete dies oft lange Fahrzeiten. Es war nicht ungewöhnlich, dass man 8 bis 9 Stunden unterwegs war, im Stau stand und sogar auf der Autobahn picknickte, weil es nicht weiterging. Dennoch hielt niemand von dieser Strapaze ab, denn die Traditionen und das Zusammenkommen der Familie waren essenziell.
Familie und Ahnenverehrung
Eine der zentralen Traditionen von Chuseok ist die Ahnenverehrung, die tief in der koreanischen Kultur verwurzelt ist. Das Charye-Ritual (차례) steht dabei im Mittelpunkt, bei dem die Familie zusammen den verstorbenen Vorfahren gedenkt. Zu Hause wird ein reichhaltiger Tisch mit einer Vielzahl von Speisen gedeckt, die symbolisch den Ahnen als Opfergabe dienen. Dieser wurde normalerweise von den Frauen der Familie gemeinsam zubereitet. Jede Speise hat eine besondere Bedeutung, und die sorgfältige Anordnung auf dem Tisch folgt festgelegten Traditionen, die über Generationen weitergegeben wurden. Es ist ein Moment der Dankbarkeit, in dem die Familie die Verbundenheit mit den Ahnen und deren Schutz würdigt.
Neben dem Charye-Ritual gehört auch Seongmyo (성묘), der Besuch der Gräber der Ahnen, zu den traditionellen Praktiken an Chuseok. Frühmorgens an Chuseok pilgern die Familien zu den Gräbern, um diese zu pflegen und zu reinigen, während sie den Verstorbenen Respekt zollen. Oft wird dabei gemeinschaftlich ein einfaches Mahl eingenommen, und es gibt kleine Zeremonien, um den Ahnen Dank für ihre Unterstützung zu sagen. Diese Rituale sind nicht nur religiöse Akte, sondern sollen auch den familiären Zusammenhalt und die Verbindung zu den eigenen Wurzeln stärken.
Koreanische Esskultur an Chuseok
Ein wichtiger Bestandteil von Chuseok ist die traditionelle koreanische Esskultur, die eng mit dem Fest verbunden ist. Besonders bekannt sind Songpyeon (송편), oft halbmondförmige Reiskuchen, die mit verschiedenen Füllungen wie Bohnenpaste, Kastanien oder Sesam gefüllt wird. Anschließend werden sie mit Kiefernadeln gedämpft. Neben Songpyeon gibt es eine Vielzahl weiterer traditioneller Speisen, die zu Chuseok serviert werden, wie gegrilltes Fleisch, verschiedene Gemüsegerichte und Früchte. Jede Region Koreas hat dabei ihre eigenen Spezialitäten, was die Festmahle noch abwechslungsreicher macht.
Spiele und Unterhaltung
Auch die Unterhaltung spielt eine große Rolle bei den Feierlichkeiten. Früher war Ssireum (씨름) eine Art traditionelles Ringen, ein beliebtes Spiel, bei dem Männer ihre Stärke und Geschicklichkeit unter Beweis stellten. Zuschauer versammelten sich, um die Kämpfe anzufeuern, und es herrschte eine lebhafte Atmosphäre. Für die Frauen gab es den Volkstanz Ganggangsullae (강강술래), bei dem sie sich im Kreis die Hände hielten und in der Nacht unter dem Mond tanzten. Solche Spiele und Bräuche trugen dazu bei, die Feierlichkeiten zu beleben.
Chuseok heute: Erntedankfest in der Moderne
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Familienstrukturen und der Lebensstil in Korea stark verändert, was sich auch auf die Feierlichkeiten rund um Chuseok auswirkt. Durch die zunehmende Urbanisierung und den modernen, oft hektischen Lebensstil haben viele Familien nicht mehr die Zeit oder Möglichkeit, sich wie früher zusammenzufinden, obwohl die Verkehrslage sich durchaus verbessert hat. Vor allem nach der Pandemie haben zahlreiche Familien festgestellt, dass es auch in kleineren Kreisen möglich ist, Chuseok zu feiern – und das oft deutlich entspannter und zeitsparender. Es wird weniger gekocht, und auch potenzielle Familienstreitigkeiten lassen sich in kleineren Runden oft leichter vermeiden. Auch junge Koreaner bevorzugen es gern ab und zu, sich den kritischen Fragen der älteren Verwandtschaft zu entziehen.
Entspanntes Reisen statt strikte Traditionen
Zudem hat sich Chuseok für einige inzwischen von einem streng traditionellen Familienfest zu einem beliebten Reisewochenende entwickelt. Immer mehr Menschen nutzen die freien Tage, um dem Alltagsstress zu entfliehen und Urlaub zu machen, sei es im eigenen Land oder sogar im Ausland. Anstatt sich auf lange Zeremonien oder festgelegte Rituale zu konzentrieren, entscheiden sich viele dafür, die Zeit für Erholung und Freizeit zu nutzen. Schließlich haben die Koreaner nicht so viele Urlaubstage, da kommen die 3-tägigen Feierlichkeiten sehr gelegen. Dieser Trend steht im Kontrast zu den traditionellen Vorstellungen von Chuseok, zeigt aber, wie sich das Fest an moderne Bedürfnisse anpasst.
Geschenke als Ersatz für die Ernte
Auch der Konsum hat in den letzten Jahren einen größeren Platz eingenommen. Während früher einfache Gaben wie Reis und Früchte im Mittelpunkt standen, sind heute aufwendig zusammengestellte Geschenkkörbe mit teuren Luxusgütern keine Seltenheit mehr. Vom Premium-Ginseng bis hin zu exklusiven Delikatessen wie dem koreanischen Rindfleisch “Hanu“ (한우) – die Geschenkpraktiken haben sich modernisiert und werden zunehmend kommerzialisiert. Kurz vor den Feiertagen schnellen die Preise für solche Geschenkboxen oft in die Höhe und erreichen teils beeindruckende Summen. Dennoch bleibt das Schenken ein wichtiger Bestandteil des Festes, und viele Koreaner drücken durch diese Gaben ihre Wertschätzung für Familie, Freunde und Geschäftspartner aus.
Was bleibt: Traditionen, die fortbestehen
Trotz der Veränderungen in der Art, wie Chuseok heute gefeiert wird, bleibt das Fest bedeutend für Familien, um zusammenzukommen und gemeinsam Zeit zu verbringen – auch wenn im kleineren Kreis. Das Familienessen steht nach wie vor im Mittelpunkt, auch wenn die Zubereitung der Speisen oft vereinfacht wurde und weniger aufwendige Gerichte serviert oder zum Teil sogar fertig gekauft werden, zum Beispiel die Songpyeon. Dennoch ist die Atmosphäre des Beisammenseins und der Austausch mit den Liebsten ein unverzichtbarer Teil des Festes geblieben.
Auch die Ahnenverehrung hat oft noch nach wie vor einen festen Platz in vielen koreanischen Haushalten. Während früher aufwendige Rituale wie das Charye-Ritual in voller Ausführung zelebriert wurden, führen zahlreiche Familien diese Traditionen heute in vereinfachter Form durch, manche jedoch gar nicht mehr. Der Besuch der Gräber Seongmyo findet ebenfalls immer noch statt, aber in einigen Familien bereits vor den Feiertagen, sodass genug Zeit an Chuseok selbst für die Familie bleibt. Der Gedanke, die Ahnen zu ehren, ist also nach wie vor in der koreanischen Gesellschaft verankert.
Ein Fest, das sich anpasst
Chuseok entwickelt sich heutzutage von einem streng traditionellen Fest zu einer flexiblen Feier, die sowohl alte Bräuche bewahrt als auch Raum für moderne Elemente lässt. Kleinere Familienstrukturen und veränderte Prioritäten führen dazu, dass das koreanische Erntedankfest oft im engen Kreis der Familie verbracht oder sogar als Gelegenheit für eine Reise genutzt wird. Einfachere Zeremonien werden häufig mit Freizeitaktivitäten kombiniert. So bleibt der Geist von Chuseok erhalten, während das Fest gleichzeitig an den modernen Lebensstil angepasst wird.